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Nach einem Studium an der Arbeiter-Hochschule in Wien, wo es um neue Wege in Fragen der Volksbildung ging, erlitt er im Inflationswinter 1923 einen Rückfall ins alte Lungenleiden. Obwohl es das Leiden im Allgäu auszukurieren galt, gab er der Bitte der „Christlich-Sozialen Volkspartei“ in Bayern (Vitus-Heller-Bewegung) nach, für den Bayrischen Landtag zu kandidieren. Bedingung war: Keine Parteimitgliedschaft! Die Partei errang bei der Landtagswahl am 06.04.1924 einen Sitz. So gehörte Leo Weismantel dann von 1924 – 1928 als Parteiloser dem Landtag an. „Das Landtagshandbuch“ von 1925 weist ihn als Mitglied einer sechs Abgeordneten umfassenden „Freien Vereinigung“ mit dem Zusatz in Klammern „Zentrum“ aus. Im Landtag forderte er ein Konzept für ein zeitgemäßes bayrisches Schulwesen und stellte einen Antrag zum Bayrischen Kultusetat zur Einrichtung einer Landesstelle für Erziehungs- und Bildungswesen in Bayern. Zugleich sagte Weismantel am 24. Juni 1925, man müsse heraus aus dem Ghetto der Parteien, auch die Kirche solle sich öffnen. Was auch bedeutete: Die Kirche solle auf die Bekenntnisschule, die im Konkordat festgeschrieben war, verzichten.

Die Einleitung einer Bildungsreform gegen die konservativ-katholische Linie der Bayrischen Volkspartei (BVP), obwohl er die Zentrumspartei im Rücken hatte, gelang dem „Einzelkämpfer“ Weismantel jedoch nicht.

Aufgrund einer Wahlgesetzänderung zu den Neuwahlen 1928 wurde die Heller-Partei ins Zentrum eingegliedert. Ein Parteiabkommen (die sog. Regensburger Vereinbarungen) zwischen Zentrum und BVP erfolgte ohne eine Beteiligung von Weismantel. Letztlich verlor er aufgrund dieser neu geordneten Zusammenarbeit von Zentrum und BVP für die Wahlen 1928 sein Mandat. Er wurde ein „Bauernopfer“ des Zentrums für die verstärkte Kooperation mit der BVP.

04 Aus der Münchner Landespolitik mit ihrem Parteiengeklüngel und mit dem vergeblichen Versuch einer Schulreform kehrte Leo Weismantel nach Marktbreit zurück. Er ging von da an dieselben Ziele im Alleingang an. Im März 1928 gründete er in Marktbreit mit persönlichen Mitteln, die ihm aus den Honoraren seiner Romane und Bühnenwerke zukamen, ein eigenes pädagogisches Forschungsinstitut. Es war die „Schule der Volkschaft für Volkskunde und Erziehungswesen“, die auch auf sein 1925 veröffentlichtes gleichnamiges Buch zurück ging. Dieses Institut errang in wenigen Monaten Weltgeltung. Zur Förderung einer Erneuerungsbewegung des Schulwesens widmete es sich in Tagungen und Vorträgen sowie privat und öffentlich initiierten Forschungen den Fragen der „bildgestaltenden“ und „sprachgestaltenden“ Kräfte und Grundlagen sowie einem damals neuen Arbeitsgebiet, der Industriepädagogik. Die erste Tagung vom 5. bis 8. August 1928 in der Schule der Volkschaft, vom Völkerbund gefördert, besuchten 80 Lehrkräfte. Im Laufe der Zeit sollten es Tausende von Teilnehmern werden.

Während dieser Zeit hatte sich zu Hause in Obersinn bei seinem Bruder Mathäus ein starkes Nierenleiden bemerkbar gemacht, das dieser nicht konsequent behandeln ließ. Hinzu geriet sein Bruder in den Inflationsjahren nach dem 1. Weltkrieg in eine schleichende, geistige Umnachtung. Er stellte ungedeckte Wechsel aus, kaufte völlig wertlose Kriegsanleihen und machte riskante Börsengeschäfte. Seine Umgebung merkte zu spät, dass er dabei das Vermögen und das Geschäft ruinierte. Man schaltete den Bruder Leo ein, der versuchte zu retten, was noch zu retten war. Erschwerend kam hinzu, dass Mathäus auch noch einen Schlaganfall erlitt. Zuletzt gab es eine Hypothek auf Haus und Grundstücke. Der Konkurs war nicht mehr aufzuhalten. Als sein Bruder Mathäus 1930 schließlich aufgrund seiner Erkrankungen auswärts bei einer seiner Töchter starb, wollte man seinen zurückgekehrten Sarg – wie es Sitte war - im Vaterhaus in Obersinn aufbahren. Die Türe soll aber verschlossen gewesen sein, weil das Anwesen bereits den Banken gehörte. Auch Leo Weismantel verlor hierbei seinen väterlichen Erbteil. (Anmerkung: Leo Weismantel hat dieses Familiendrama in seinem Buch „Das Haus Herkommer“ im Abschnitt „Der Konkurs“ auf 256 Seiten dargestellt.)

Im Jahr 1928 brachte Leo Weismantel im Bühnenvolksbundverlag Berlin seinen Roman „Das alte Dorf“, den er bereits 1908 begonnen hatte, heraus. Es ist die Geschichte vom Jahreskreis und von den Leuten aus seinem Heimatort Obersinn, den er „Sparbrot“ nannte. Er setzte damit seinem Heimatort ein literarisches Denkmal. Es entstand die RHÖN-TRILOGIE. Die beiden anderen Werke dieser RHÖNTRILOGIE „Die Geschichte des Hauses Herkommer“ (s.a. vorheriger Absatz) und „Das Sterben in den Gassen“ hatte er ebenfalls bereits 1908 begonnen, sie folgen 1932 und 1933.

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Autor: Gundolf Weismantel

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