Die Farbfenster der St. Jakobuskirche von Obersinn

Versuch einer Deutung von Prof. Dr. R. Schömig

Die Kirche von Obersinn besitzt einen in seiner künstlerischen und religiösen Aussage obersten Zyklus von Farbfenstern des Malers Karl Clobes, Tückelhausen. Seine einmalige thematische und gestalterische Geschlossenheit stellt dieses Werk an die Spitze der in den letzten Jahren für die Diözese Würzburg geschaffenen religiösen Kunstwerke der Glasmalerei.

Im Folgenden soll versucht werden, in dem geistigen Gehalt dieser Bildkompositionen einzuführen, angefangen von den drei Chorfenstern, die den Ausgangspunkt bilden und zu denen der ganze Zyklus wieder zurückführt.

Das Gesamtthema ist der Gang der Heilsgeschichte, die im Mysterium des Dreifaltigen Gottes ihren Ursprung hat, das die Kirche am Altar gegenwärtig macht, immer neu eintritt in die Geschichte und heimkehrt an ihr Ziel, in der Vollendung des Reiches Gottes. Ausgang und Heimkehr der Welt, dazwischen ereignet sich die Geschichte der Menschheit, die Wanderung des Volkes Gottes nach dem Land der Verheißung.

Der Künstler hat das große Thema dargestellt mit Farben und Formen, Bildern und Gestalten. Mitten in großen Farbströmen stehen Figuren, Engel, Menschen, Tiere, Sonne und Sterne, prophetische Zeichen aus der Apokalypse des hl. Johannes, mit denen der Seher auf Patmos die Schicksale der Endzeit dem Gottesvolk als Trost, Hoffnung und Verheißung enthüllt.

Beginnen wir mit den Einzelnen
 

Fenster im Chorraum
 

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Die drei Fenster im Chor versuchen darzustellen, was nach dem Wort des Apostels kein Auge geschaut und in keines Menschen Ohr gedrungen ist: das Mysterium Gottes. Die reine kristallenen Mitte, der reinste Lichtraum, ist das tiefste Symbol Gottes. Hier ist der Uranfang, der ewige Ursprung, in dem die Schöpfung, die Erlösung und die Heiligung der Geschichte seit ewigen Zeiten verborgen ist. Ein großer Ring (rot) umschließt das unfassbare.Wesen des Dreifaltigen Gottes, in dem Leben (grün) und seine strömende Bewegung wie aus einem tiefen Brunnen hervor quillt. Sieht man näher zu, so ist hier zugleich auch das Ziel, zu dem die Geschichte zurück strebt. Zu diesem Ziel blickt die irdische Kirche in jeder Eueristifeier auf, zu den 24 Ältesten, zu den 7 Geistern Gottes, die den irdischen Kosmos vor das Antlitz Gottes bringen. So hat es Johannes im 4. und 5. Kapitel der geheimen Johannesoffenbarung geschaut. Es ist die Geschichte, in der das Lamm bereits den Sieg errungen hat, in der aber auch das Volk Gottes durch alle Zeiten hindurch in der Nacholge Jesu durch Passion, Tod und Auferstehung Anteil an seiem Sieg gewinnen soll.

1. und 2. Fenster: Linke Seite

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Dargestellt ist der große Engel, der das Volk Gottes in deses Schicksal seiner Geschichte entläßt. Er selbst ist stürmische Bewegung; seine Geste weist voran und ruft das Volk Gottes auf seien Weg.

 

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Es ist auch die gleiche Bewegung wie sie auf dem 2. Fenster die große Gestalt Abrahams voranführt, den Vater der Glaubenden. Er hat die große Wanderschaft nach dem Land der Verheißung auf den Ruf Gottes hin begonnen. Seine Hände tasten sich wie in ein Dunkel hinaus, aber sein Fuß zögert nicht, mutig voran zu schreiten. Das Rot und Grün, die symbolischen Hoffnungs- und Lebensströme, hüllen ihn ein in das Geheimnis der großen Verheißung, die sich erst in Christus erfüllen wird.
 

3. Fenster Linke Seite

IMGP6720Das Schicksal das auf die Wanderschaft gerufenen Volkes ist die Geschichte der Führung durch Gott und der Freiheit des Menschen. Gott führt sein Volk. Es ist der große, weiße Reiter der Apokalypse (dargestellt als lichte vorausleuchtende Wolke), der aus dem göttlichen Bereich kommt und dem die Zukunft gehört. Die Symbolfarben, Blau und Weiß, enthüllen ihn als den, der die Geschichte ihrer Vollendung ausführen wird.

 

 

 

 

 

4. Fenster Linke Seite:

IMGP6718 Die Geschichte wird aber auch gestaltet von dunklen Mächten. In der Apokalypse werden sie genannt der Reiter auf dem roten, der auf dem schwarzen und der auf den fahlen Roß. Sie durchtoben irdische Geschichte und bedrängen die Menschheit als Krieg, Hunger und Tod. Wie voranstürmende Ballungen von Unheil hat sie der Künstler dargestellt, in drohender Dramatik, die jederzeit in die Geschichte einbrechen können. Es sind die schweren Träume, die Völker quälen gestern, heute und morgen.

 

 

 

 

5. Fenster: Linke Seite:

IMGP6717 Das erlöste Volk Gottes kennt aber auch die Vision jener anderen Welt, in der da keine Angst, keine Tränen und keinen Tod gibt. Es ist die Welt jener, die schon angelangt sind am Ziel, entkommen der großen Drangsal, den großen Plagen, die die Menschheit heimsuchen; jene, die ihre Gewänder weiß gewaschen haben im Blut des Lammes. Wie Schwärme mystischer Vögel steige sie auf in einem gewaltigen Zug von unten nach oben. Man meint ihr unaufhörliches Kreisen zu Gott hin zu spüren und den wilden Schrei ihrer Lobgesänge in den weißen, grünen und roten Gefilden ihres ans Ziel gelangten Daseins.

 

 


 

6. Fenster:  Hinten Linke Seite

IMGP6715Wieder ein Bild der Bedrohten Welt. Eine Sonne, schwarz wie ein „härener Sack“ (Apoc.) hängt am leeren Himmel, darunter ein blutroter Mond. Alles ist in Aufruhr, die Erschütterung scheint sogar die Sterne zu erfassen, die sonst so friedlich ihre Bahnen gehen. „Gleich wie ein Feigenbaum seine Feigen abwirft, wenn er vom großen Wind bewegt wird“, so fallen die Sterne aus ihren Ordnungen. Im 6. Kap. Beschreibt der Seher Johannes dieses Bild, wenn das Sigel vom Buch der Geschichte durch das Lamm gelöst wird. So ist die Erde bedroht von ihrem Ende her. Nicht die Atombombe wird es herbeiführen, sondern Gott wird das Ende setzen. Mit dieser Hoffnung wollen wir leben.

 

 

7. Fenster: Hinten Linke Seite

IMGP6729Immer neue Gleichnisse und Visionen, die das Schicksal der Menschheit betreffen, steigen auf in elementaren Bildern. Räume aus Schwefel, Feuer und Rauch tuen sich auf. Aus ihnen kriechen Schlangen, Skorpione, Heuschrecken, widerliche Fratzen von Tieren, die nichts Irdischem gleichen, ein Sturm von Dämonen

 

 

 

 

 

 

 

8. Fenster: Rechte Seite

IMGP6728Wieder das Bild eines fallenden Sternes, der wie eine Giftwolke auf die Erde stürzt und den Abgrund für die Mächte der Tiefe öffnet. Dennoch ist die Geschichte nicht völlig den finsteren dämonischen Mächten überlassen. Selbst in den tiefsten Finsternissen ist Gottes Heil und Gottes Liebe gegenwärtig wie es die Symbolfarben Grün und Rot bezeugen.

 

 

 

 

 


 

9. Fenster Rechte Seite

IMGP6727Eine Sonnenfinsternis breitet sich über die ganze Schöpfung aus. Das Licht – als Symbol Gottes – ist in lauter Finsternis erloschen. Ein großer dunkler Adler fliegt über den Himmel hin, der der Tod Gottes zu verkünden scheint; das große Weh, in dem alle Hoffnung der Welt zu versinken droht und immer neue Ankündigungen der Posaunenengel von Unheil wie sie das 8. und 9. Kapitel der Apokalypse prophezeit.

 

 

 

 

 

 

10. Fenster Rechte Seite

​​ IMGP6726Berge und Sterne fallen ins Meer, Engel und ausbrechende Feuer, brennende Ströme und bittere Wasserquellen. Allen düstere Prophetien, wie sie die Apokalypse Daniels und des hl. Johannes entworfen, wie sie Jesus selbst für das Ende der Welt angesagt hat. Es sind die letzten Zeiten, in denen die Menschheit lebt seit dem Tod und der Auferstehung Jesu. Mit dem Auge des Glaubens erblicken wir den Endkampf der göttlichen und widergöttlichen Mächte. Was uns der Künstler in diesen Visionen vor Augen stellt, ist die Welt, in der wir als Christen zu leben haben, von denen die Schrift sagt, daß sie solche sind, die Hoffnung haben.

 

 

11. Fenster Rechte Seite

IMGP6725Wohin diese Hoffnung des glaubenden Gottesvolkes führt, zeig die Szene dieses Fensters: Die unermesslichen Scharen von allen Völkern, Stämmen und Nationen sind bereits angelangt am Ziel ihrer Wanderschaft. Moses, der große Führer des wandernden Gottesvolkes nach dem Land der Verheißung, steht vor ihnen mit ekstatisch ausgebreiteten Armen, als öffnete er die Tore zum ewigen Reich. Er ist Symbolgestalt Christi. Er ist der Menschensohn der den Zug der Heimkehrenden anführt in das Reich des Vaters. Wiederum strahlt symbolisch über diesem Fenster das große Weiß, Rot und Grün, in dem sich der Strom des Lebens vereinigt mit dem Meer, von dem er ausgegangen ist.

 

12. Fenster Rechte Seite

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Am Ende des Zyklus steht wieder der Engel am Portal zum Paradies des Lebens. Er ist der Engel, der das Siegel trägt auf der Brust, das Zeichen „Tau“, das auch das Zeichen des Kreuzes ist. Mit ihm versiegelt er die zum Volk Gottes Gehörenden. Mit diesem Siegel bezeichnet, dürfen sie eintreten in die Anschauung und in den Lobpreise der Herrlichkeit des Dreifaltigen Gottes. Mit diesem ewigen Lobpreis klingt schon hier und heute das Dankeslied der Gemeinde zusammen, wenn sie Eucharistiefeier hält und so auf ihrer Wanderung durch die Geschichte Ausschau hält nach dem Ziel, das ihr bestimmt ist; denn „Wir haben hier keine bleibende Statt, die zukünftige suchen wir“.

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Anfang und Ende

 

Fenster über der Eingangstüre

​​IMGP6734Beim Verlassen der Kirche tritt uns über dem Portal noch einmal in kürzester Symbolik die ganze Idee dieses Zyklus vor Augen: Wir alle sind Bezeichnete mit dem „Tau“, dem Heilszeichen des Kreuzes, mit dem wir als Glieder des Volkes Gottes in der Taufe besiegelt wurden. So werden wir immer erinnert, daß wir solche sind, die mit diesem Zeichen des Lebens ihre Wanderschaft erfüllen müssen wie Abraham und Moses, die großen Wanderer, auf ihrem Weg in das verheißene Land.

 
Autor: Pfarrer Edgar Grehn
Texterfassung: Lioba Zieres

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