Glashütte in Emmerichsthal

Für zweihundert bis dreihundert Jahre lag die Ortsstelle der alten Siedlung Steinbach nun verödet. Was blieb, war der Versuch der mainzischen Verwaltung, aus dem Waldbestiz des Erzstifts an dieser Stelle Kapital zu schlagen. Misslich dabei war aber, dass diese Wälder zu weit von Mainz und allen damaligen wirtschaftlichen Zentren entfernt waren, um den Holzreichtum gewinnbringend vermarkten zu können. Schließlich kam man im 18. Jahrhundert an der kurfürstlichen Rentkammer auf die Idee, an der Siedlungsstelle des früheren Ortes Steinbach eine Glashütte zu errichten. Die Glasgewinnung erfordert zum Erschmelzen der Glasmasse gewaltige Brennstoffmengen; Holz war aber dort im Überfluss vorhanden. Die Glashütte wurde in den Jahren 1765 bis 1768 fertiggestellt und der Ort zu Ehren des damals regierenden Mainzer Bischofs und Kurfürsten Emmerich von Breidbach-Bürresheim Emmerichsthal genannt. Diesen Namen behielt die kleine Siedlung bis heute bei.

Unter der Regie der mainzischen Amtskellerei in Burgjoß entstanden zunächst das Glashüttengebäude und ein stattliches zweistöckiges Wohnhaus samt Viehstall. Der Mainzer Staat betrieb aber die Hütte bald nicht mehr in eigener Regie, sondern verpachtete sie. Der erste Pächter namens Anton Zahn baute auf eigene Kosten noch weitere Nebengebäude und auch kleine Wohnungen dazu - wohl für die Glasmacher - und begann 1768 mit 15 Mitarbeitern den Hüttenbetrieb. An die Stelle der einstigen bäuerlichen Siedlung war jetzt also eine gewerbIiche Siedlung getreten.

Die erwarteten Erfolge haben sich offensichtlich nicht eingestellt, denn in den Folgejahren wechselten die Pächter mehrmals. Der letzte Pächter war Karl Beck aus Büdingen, der die Hütte 1817 kaufte, aber damit bald in Konkurs ging. Ab 1826 wurde die Glasproduktion endgültig eingestellt.

Wir dürfen mit Sicherheit annehmen, dass die Glasarbeiter und die bei der Hütte beschäftigten Holzfäller und Fuhrleute ihren Lebensunterhalt nicht allein aus ihrer betrieblichen Arbeit bestreiten konnten, zumal sie durch deren schlechte wirtschaftliche Lage oft lange auf ihren Lohn warten mussten. Sie haben sich mit landwirtschaftlichen Nebenbetrieben über Wasser gehalten. Auf diese Weise hat der kleine Ort langsam wieder das landwirtschaftliche Gepräge zurückgewonnen, das seine Vorgängersiedlung Jahrhunderte zuvor gehabt hatte. Nach der Auflassung der Hütte konnten diejenigen, die weiterhin dort wohnen blieben, ohnehin nur durch Viehzucht und mageren Ackerbau, ergänzt durch Holzfällerei oder durch Tätigkeit außerhalb Emmerichsthals, ihren Lebensunterhalt sichern.

Nach der Säkularisation von 1803 war Emmerichsthal, das bis zu diesem Jahr politisch zu Burgjoss und kirchlich zu der Pfarrei Oberndorf gehörte, noch einige Jahre in mainzischer Hand. Danach teilte es das Schicksal der umliegenden Ortschaften und wechselte ebenso häufig wie diese seine territoriale Besitzzugehörigkeit. Mal gehörte es zum Fürstentum Aschaffenburg, mal zum Großherzogtum Frankfurt, und schließlich ab 1814 zum Königreich Bayern. Es blieb aber zunächst dem Ort Burgjoss und dem Gericht Orb zugeordnet.

Nach dem preußisch-bayerischen Krieg von 1866 gab es im Jossgrund eine neue Grenzziehung, die die Jossgrundorte und das Amt Orb von Bayern abtrennte. Bei dieser staatlichen Neuordnung blieb Emmerichsthal jedoch bayerisch und kam zu der Gemeinde Obersinn. Der Jossgrund dagegen wurde preußisch, später dann hessisch.

Aus den Gründungsjahren Emmerichsthals 1766/68 blieben bis heute das zweistöckige Wohnhaus (Herrenhaus) und das heute als Scheune und Stallung hergerichtete Glashüttengebäude erhalten.


Autoren: Dr. Ludwig Reusch, Gundolf Weismantel
Der Text ist abgedruckt im Buch "Herrschaften, Bauern und Glasmacher in Emmerichsthal", erschienen im Selbstverlag der beiden Autoren.

Ansprechpartner

Markt Obersinn
Marktplatz 1
97791 Obersinn

Tel.: +49 (0) 9356 / 52 89
Mobil: +49 (0) 160 / 94 45 29 20
E-Mail: info@markt-obersinn.de